Diese kleine Monographie gibt einen guten ersten Überblick zu Mandelas Leben und Einblick in seine Persönlichkeit. Als Sohn einer adeligen Xhosa-Familie geboren, war es ihm möglich, als einer der wenigen Schwarzen Südafrikas zu studieren. Er praktizierte zunächst als Anwalt, fühlte sich aber als Angehöriger der Oberschicht seines Volkes immer auch in der Verantwortung, etwas für die Sache der entrechteten Mehrheit der Schwarzen zu bewegen. So wurde er schließlich Mitglied des ANC, bald auch in führender Position, trug auch die gewaltsame Strategie seiner Organisation mit, geriet deswegen in Haft und wurde erst Jahrzehnte später, als gefeierter Volksheld, entlassen. Die Monographie endet etwa zur Regierungszeit des bereits greisen, Präsidenten, Mandela.
Gefallen hat mir an dieser knappen aber doch inhaltreichen Biographie, dass Mandelas Charakter in seiner ganzen Stärke und Integrität nachgezeichnet wird, aber zugleich deutlich wird, dass diese Stärken andere waren als diejenigen zweier anderer großer Freiheitskämpfer des 20. Jahrhunderts, nämlich Gandhi und Martin Luther King. Zwar befasste sich auch Mandela zeitweise mit der Möglichkeit, den Kampf der Südafrikaner nach den Prinzipien Gandhis, Satyagraha und Ahimsa, also "Reinheit" und "Gewaltlosigkeit", zu führen, schloss sich aber bald der Mehrheit der ANC-Führung an, welche der Meinung war, dass man mit diesen Methoden den Kampf gegen einen Gegner, der moralisch nicht zu beeindrucken, in seinem Gewissen nicht zu berühren war, nicht würde gewinnen können. Der ANC kämpfte und vergoss also auch Blut; Mandela trug es als Führungsmitglied der zweiten Reihe zumindest mit. Seine Stärke liegt also nicht dort, wo sie bei King oder Gandhi zu finden waren - auch wenn Mandela in den langen Jahren seiner Gefangenschaft eine tiefe spirituelle Entwicklung durchmachte und sogar vom Wachpersonal seines Gefängnisses schließlich als Weiser alter Mann geschätzt und geachtet wurde. Mandelas Verdienste liegen jedoch in seinem Mut, seiner Fähigkeit zu Ausgleich und Versöhnung, seiner Gabe Menschen zu verbinden und zusammenzubringen. Er ging gerade deshalb ins Gefängnis, um durch eine andere, weniger gewalttätige, Strategie den ANC nicht spalten zu müssen. So erwarb er sich vor seinen eigenen Leuten den Ruf von Loyalität und Integrität, welcher ihm sein späteres Versöhnungswerk ermöglichte. Seinen, mutigen, Sinn für Maß und Mäßigung bewies er, als er trotz des Unrechtes, das er erfahren hatte, mit der weißen Regierung in Verhandlungen trat, als und sobald er bemerkte, dass diese zu substantieller Veränderung bereit war. Als er den Schwarzen jene Vormachtstellung erstritten hatte, welche sie unter einer demokratischen Verfassung notwendigerweise gewinnen mussten, bemühte er sich - wiederum auf Maß und Ausgleich bedacht - auch den Bedürfnissen der Weißen entgegen zu kommen, indem er ihnen weitreichende Minderheitenrechte einräumte. Er hinterließ einen wohlgeordneten, nach demokratischen Prinzipien arbeitenden Staat mit rechtsstaatlicher Verfassung, welche gerade auch in Hinblick auf die Multikulturalität Südafrikas hin maßvoll ausgestaltet war. Mandelas Mut, der Mut des Verantwortungsgefühls und der Mut zur Mäßigung, möge Südafrika auch nach dem Tod des großen Volkshelden und Staatsmannes begleiten.
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